0.0.1 ↑ 28. Hausaufgabe
0.0.1.1 ↑ Zusammenfassung der Stunde: Tragfähiges mechanisches Modell zur Erleichterung des Verständnisses der Selbstinduktion
Für elektrische Stromkreise kann man sich ein für uns neues, sehr tragfähiges mechanisches Modell vorstellen. Schnur wird in einem geschlossenen Kreis reibungsfrei "gepumpt". Das mechanische Äquivalent zur Ladung ist dann ein gewisses Stück Schnur.
Ist die Pumpe eingeschaltet, bewegt sich die Schnur. Man kann eine Stromstärke als Quotient aus bewegter Länge an Schnur pro dafür benötigter Zeit definieren.
Es gibt auch ein Äquivalent für den irreversiblen, elektrischen, OHMschen Widerstand: Bremst man an einer Stelle die Schnur (z.B. mit der Hand), so wirkt eine von der Zeit unabhängige Bremskraft an der Stelle. Bei elektrischen Widerständen liegt eine Spannung an.
Auch reversible Widerstände kann man modellieren: Baut man in den Schnurkreis ein Schwungrad ein, so wirkt wegen der Massenträgheit bei Einschalten der Pumpe eine Gegenkraft (\left[\mathrm{N}\right]). Sobald das Rad seine Maximalgeschwindigkeit erreicht hat, kann man die Energiebilanz betrachten: \Delta l an Schnur erfuhren eine mittlere Bremskraft von \overline{F} – die in der Bewegung des Rades gespeicherte Energie ist also \Delta E = \overline{F} \cdot \Delta l. Diese Energie floss von der Pumpe über die Schnur zum Rad, welches es in Form von Bewegungsenergie, \frac{1}{2} m_{\text{eff}} v^2, speichert.
Dabei ist die "effektive Masse" des Schwungrads m ein Maß für seine Trägheit. (Die effektive Masse ist geometrieabhängig, der Einfachheit halber verwenden wir deswegen m_{\text{eff}} statt m.)
Nun ist das Schwungrad ein reversibler Widerstand, es muss also eine Möglichkeit geben, die in der Radbewegung gespeicherte Energie zurückzugewinnen. Dies ist möglich, indem man die Pumpe aus dem Stromkreis ausklinkt – zum einen bewegt sich die Schnur weiterhin (wegen des Fehlens von Reibung in unserem Modell) und zum anderen könnte man die Schnur ähnlich wie einen Dynamo nutzen.
Für das Verständnis der elektrischen Selbstinduktion ist es nun am interessantesten, wenn wir versuchen, einen "angeschmissenen" Schnurkreis mit laufendem Rad zu bremsen. Wieder werden wir wegen der Trägheit eine Gegenkraft feststellen, die sich dadurch äußert, dass (z.B.) die Hände stark erwärmt werden. Damit ist die Energie aus dem Rad weggeflossen. In der Mechanik ist dieses Verhalten klar – wegen der Trägheit muss Kraft aufgewendet werden, um den Bewegungszustand von Körpern zu ändern.
Jetzt können wir nun das mechanische Modell zurück in die Elektrizität übertragen; dabei nutzen wir eine Spule als reversiblen Widerstand. Eine Spannungsquelle wird leitend mit einer Spule verbunden und eingeschaltet. Da dadurch Strom durch die Spule fließt, wird um die Spule ein magnetisches Feld aufgebaut. Durch die "Trägheit" der Spule (wobei man L \left[\frac{\mathrm{J}}{\mathrm{A}^2}\right] als Maß für die "Trägheit" einführt) verhält sich die Spule wie ein Widerstand – es wird eine Gegenspannung induziert.
Ist das Magnetfeld fertig aufgebaut, verschwindet dieses Verhalten wieder – übertragen auf das mechanische Modell wirkt keine Gegenkraft mehr, wenn das Rad erstmal seine Maximalgeschwindigkeit erreicht hat. Im Magnetfeld ist dann nun Energie gespeichert.
Unterbricht man nun den Stromkreis, beispielsweise durch Ausstecken eines Kabels aus der Batterie – man regelt also die Stromstärke innerhalb sehr kurzer Zeit auf 0 \,\mathrm{A} herunter (übertragen aufs mechanische Modell: bremst man die Schnur), erkennt man wieder die Auswirkungen dieser "Trägheit" – es wird erneut eine Selbstinduktionsspannung induziert. Dadurch fließt die Energie des magnetischen Felds wieder zurück.
Im im Unterricht durchgeführten Versuch hat diese Spannung sogar ausgereicht, um einen Funkenüberschlag zu erreichen.
Weiter oben gab' ich die in der Bewegung des Rades gespeicherte Energie mit \Delta E = \frac{1}{2} m v^2 an. Überträgt man diese Formel nun auf die Spule, wobei wir L als Ersatz für die Radmasse m und I für die Schnurgeschwindigkeit v nehmen, erhalten wir \Delta E = \frac{1}{2} L I^2;
Es kam auch die Frage auf, in welcher Richtung sich die Ladungsträger bei dieser Selbstinduktion bewegen. Diese Frage ist mit dem mechanischen Modell leicht zu beantworten: Beginnt man das Bremsen, bewegt sich die Schnur weiterhin "vorwärts", genauer gesagt ändert sie ihre Bewegungsrichtung nicht. Sie wird durchaus abgebremst – v geht gegen 0 \,\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}} – aber die Bewegungsrichtung bleibt erhalten.
Das mechanische Modell ist sehr tragfähig – diese Aussage über die Bewegungsrichtung der Schnur gilt auch für die Bewegungsrichtung der Ladungsträger.
Elektrizität | Mechanik |
---|---|
Ladung Q \left[\mathrm{C}\right] | Länge an Schnur \left[\mathrm{m}\right] |
Stromstärke I = \frac{Q}{t} \left[\mathrm{A}\right] | Schnur pro Zeit v \left[\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}\right] |
Spannung U \left[\mathrm{V}\right] | Gegenkraft F \left[\mathrm{N}\right] |
OHMscher Widerstand R = \frac{U}{I} \left[\Omega\right] | Manuelle Bremsung \frac{F}{v} \left[\frac{\mathrm{N}}{\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}} = \frac{\mathrm{Ns}}{\mathrm{m}}\right] |
Energie \Delta E = \frac{1}{2} L I^2 \left[\mathrm{J}\right] | Energie \Delta E = \frac{1}{2} m v^2 \left[\mathrm{J}\right] |
0.0.1.2 ↑ Übertragung von B. S. 255 aufs mechanische Modell
In einem Schnurkreis mit einem Schwungrad fließt die Schnur nach dem Unterbrechen des Kreises – also starkem Abbremsen – aufgrund der Trägheit noch weiter, obwohl die Pumpkraft Null ist. Da dafür die Kraft F verantwortlich ist, ist die Weiterbewegung mit der Leistung P = F v und der Umwandlung der Bewegungsenergie des Schwungrads verbunden. Aus der Pumpe kann diese Energie nicht geliefert werden, da die Pumpkraft F = 0 \,\mathrm{N} ist. Aufgrund des Energieerhaltungssatzes muss die Bewegungsenergie der Schnur aus einer anderen Energieform entstanden sein: Sie kann nur aus der Bewegung des Rades stammen, dessen Drehzahl nach dem Ausschalten mit v gegen Null geht.
Die vorher in der Radbewegung gespeicherte Energie kann berechnet werden, indem man die Bewegungsenergie der Schnur bestimmt, in die sie umgewandelt wird. Die Bewegungsenergie der Schnur ist \Delta E = F v t, wenn F und v konstant sind. Nach dem Ausschalten der Pumpe und dem Bremsen nehmen jedoch die Kraft des Rads F und die Schnurgeschwindigkeit v stetig ab. Daher muss man integrieren:
\Delta E = \int\limits_{t_1}^{t_2} F(t) v(t) \,\mathrm{d}t.
Die untere Grenze t_1 des Integrals ist der Zeitpunkt des Beginns des Bremsens, die obere Grenze t_2 der Zeitpunkt, für den v praktisch auf Null zurückgegangen ist. Nach dem Trägheitsgesetz F = -m \dot{v} = -m \frac{\mathrm{d}v}{\mathrm{d}t} = -m a ergibt sich
\Delta E = -m \int\limits_{t_1}^{t_2} v a \,\mathrm{d}t = -m \int\limits_{v_0}^{0 \,\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}} v \,\mathrm{d}v.
Die Grenzen der neuen Variablen sind v(t_1) = v_0 und v(t_2) = 0 \,\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}. Nach Ausführen der Integration und Einsetzen der Grenzen erhält man die Energie
\Delta E = -m \left[\frac{1}{2} v^2\right]_{v_0}^{0 \,\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}}} = \frac{1}{2} m v_0^2.
Nimmt man an, dass die gesamte Energie der Radbewegung in Energie für Bewegung der Schnur übergeht, so stellt dieser Ausdruck die Größe der in der Radbewegung gespeicherten Bewegungsenergie dar.
Die Energie der Radbewegung eines von Schnur mit der Geschwindigkeit \dot{l} = v durchflossenen Rads der Masse (Induktivität) m ist
\Delta E = \frac{1}{2} m v^2.
(Benötigte Zeit: 84 min)