0.0.1 ↑ 83. Hausaufgabe
0.0.1.1 ↑ Tricksereien beim Interferenzexperiment zur Wellenlängenbestimmung
Möchte man die Wellenlänge einer monochromatischen Lichtwelle messen, kann man das nur indirekt tun, da die Wellenlänge üblicherweise im Bereich einiger hundert Nanometer liegt; solch kleine Längen kann man unmöglich direkt messen.
Stattdessen betrachtet man die Interferenzphänomene der Lichtwelle und schließt dann vom Interferenzmuster auf die Wellenlänge.
Über die trigonometrische Beziehung \sin\alpha = \frac{\Delta s}{b} lässt sich der Gangunterschied zu \Delta s = b \cdot \sin\alpha bestimmen. Der Abstand des Doppelspalts zum Schirm a und der Spaltabstand b können gemessen werden (bzw. wird vom Hersteller angegeben). Der Winkel \alpha kann über \tan\alpha = \frac{d}{a} bestimmt werden.
Damit sich ein Interferenzmaximum ausbildet, muss die Phasendifferenz zwischen den beiden HUYGENSschen Elementarwellen, die man sich als in den Spalten entstehend denkt, genau Null oder ein anderes ganzzahliges Vielfaches von 2 \pi betragen.
Umgerechnet auf den Gangunterschied (mit der Beziehung \frac{\Delta\varphi}{2 \pi} = \Delta s) ergibt sich für den nötigen Gangunterschied für das Maximum 0. Ordnung \Delta s = 0 \,\mathrm{m} und für das Maximum 1. Ordnung \Delta s = \lambda.
Eingesetzt in die oben hergeleitete Beziehung von \Delta s zu \alpha ergibt sich:
\Delta s = \lambda = b \cdot \sin\alpha = b \cdot \sin \arctan \frac{d}{a};
Man erhält also eine Formel für die Wellenlänge \lambda, die ausschließlich makroskopische Größen enthält! :)
Diese Formel kann mit der Kleinwinkelnäherung – \sin\alpha \approx \tan\alpha \approx \alpha für kleine \alpha (kleinergleich 5^\circ) – noch vereinfacht werden:
\lambda \approx b \cdot \sin \arcsin \frac{d}{a} = b \cdot \frac{d}{a};
Umgekehrt kann man auch bei bekannter Wellenlänge die Position der Maxima berechnen:
d_0 = 0 \,\mathrm{m}; \quad d_1 = \lambda \frac{a}{b}; \quad d_2 = 2\, \lambda \frac{a}{b}; \quad d_3 = 3\, \lambda \frac{a}{b}; \quad\ldots
Im Folgenden sollen nun die versteckten Tricksereien dieser Argumentation aufgedeckt werden.
0.0.1.1.1 ↑ Numerische Trickserei: Kleinwinkelnäherung
Benutzt man die Kleinwinkelnäherung, so wird das Ergebnis natürlich verfälscht. Wie stark aber wird es verfälscht?
Nehmen wir beispielsweise als Spaltabstand 1 \,\mathrm{mm} und als Abstand zum Schirm 1 \,\mathrm{m}, so beträgt der Fehler...
\arctan \frac{1 \,\mathrm{mm}}{1 \,\mathrm{m}} = \arctan 0{,}001 \approx 0{,}057\,295\,76; \quad {}\arcsin 0{,}001 \approx 0{,}057\,295\,789;
\frac{\left|\arctan 0{,}001 - \arcsin 0{,}001\right|}{\arcsin 0{,}001} \approx 0{,}5 \cdot 10^{-7} = 0{,}000\,000\,5 = 0{,}000\,05 \,\%;
Es ist wohl nicht angemessen anzunehmen, man könne den Spaltabstand und den Abstand zum Schirm so genau messen, dass man diesen Fehler berücksichtigen müsste!
Außerdem handelt es sich bei dieser "Trickserei" um eine Trickserei, die man nur aus aus Bequemlichkeit macht – es hindert einen nichts daran, beim Ausrechnen der Wellenlänge \sin \arctan \frac{d}{a} statt \frac{d}{a} in den Taschenrechner einzutippen.
0.0.1.1.2 ↑ Numerische Trickserei: Perfekte Kreiswellen?
In den Spaltmittelpunkten denkt man sich die Entstehung HUYGENSscher Elementarwellen – perfekter Kreiswellen. Deren Ausbreitungsrichtung wird dann als Basis für die weiteren Berechnungen genutzt.
Problematisch dabei ist nun, dass die Größe der beiden Spalten nicht wie von der Mathematik gefordert Null ist, sondern in der Größenordnung einiger hundertstel Millimeter liegt.
Daher entsteht nicht nur jeweils eine Elementarwelle in den beiden Spalten, wie es bei "exakt punktförmigen" Spalten, also Spalten ohne räumliche Ausdehnung, der Fall wäre, sondern unendlich viele ("jeweils eine in jedem Punkt"), welche sich alle überlagern und zusammen nur noch annähernd eine Kreiswelle bilden.
Man sich auch entschließen, diese Annäherung nicht zu akzeptieren und stattdessen die in jedem Spaltpunkt entstehenden Elementarwellen mathematisch modellieren. Mit geeigneter Integration und Aufsummierung ist dies zwar prinzipiell machbar, übersteigt aber weit die Schulmathematik und, noch wichtiger, steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Es wohl noch einige Zeit dauern, bis man im Femtometerbereich genau messen kann – und erst dann wird sich das Vereinfachen der unendlich vielen Elementarwellen auf genau eine bemerkbar machen.
0.0.1.1.3 ↑ Experimentelle Trickserei: Räumlich ausgedehnte Interferenzmaxima!
Zur Berechnung der Wellenlänge zieht man d, den Abstand vom Maximum 0. Ordnung zum Maximum 1. Ordnung, heran. Problematisch dabei ist, dass es pro sichtbarem Interferenzmaximum nur einen einzigen Punkt gibt, an dem die Gesamtamplitude wirklich maximal ist. An den anderen Punkten des "Flecks" beträgt die Amplitude beispielsweise nur ("nur") 99 \,\% der Maximalamplitude.
Das bedeutet, dass man beim Bestimmen von d zwangsläufig einen Fehler macht. Ich rate intelligent und behaupte, dass man d – insbesondere wenn man sich die Symmetrieeigenschaften der "Lichtflecken" zunutze macht – auf zehntel oder sogar hundertstel Millimeter genau bestimmen kann. Diese Messgenauigkeit sollte wohl in den meisten Fällen ausreichen.
0.0.1.1.4 ↑ Gedankliche Trickserei: Lichtstrahlen?
Ironischerweise nutzt man das Konzept der Lichtstrahlen beim Doppelspaltexperiment – einem Versuch, bei der eine einfallende Lichtwelle nur durch Beugung interferiert. Dabei gibt es Beugung in der traditionellen geometrischen Optik gar nicht!
Anders als in der geometrischen Optik behaften wir die Lichtstrahlen aber mit einer zusätzlichen Eigenschaft, der Phase in einem Strahlpunkt;
damit ist diese Trickserei gerechtfertig und stellt lediglich eine Vereinfachung dar.
Alternativ kann man auch die zwei Elementarwellen der beiden Spalte mathematisch überlagern. Ohne die Vereinfachung ist die Berechnung der Interferenzmaxima- und -minima allerdings sehr viel komplizierter. Primär wollen wir die physikalischen Phänomene hinter dem Doppelspalt verstehen, nicht das Mathematik-Studium vorgreifen.
0.0.1.1.5 ↑ Gedankliche Trickserei: Parallelität der Lichtstrahlen der beiden Spalten?
Unsere Berechnung wurde durch die Annahme, dass die Lichtstrahlen, die beide zum gleichen Punkt führen, parallel sind, sehr vereinfacht. Wie groß ist der Fehler unter typischen Versuchsbedingungen?
\tan\alpha = \dfrac{d - \frac{b}{2}}{a}; \quad {}\tan\alpha' = \dfrac{d + \frac{b}{2}}{a};
Mit einem Spaltabstand von b = 1 \,\mathrm{mm}, dem Abstand zum Schirm a = 1 \,\mathrm{m} und der Entfernung des Maximums 0. Ordnung zum Maximum 1. Ordnung d = 1 \,\mathrm{mm} ergeben sich \alpha und \alpha' zu:
\alpha = \arctan \dfrac{d - \frac{b}{2}}{a} \approx 0{,}029^\circ; \quad {}\alpha' = \arctan \dfrac{d + \frac{b}{2}}{a} \approx 0{,}086^\circ;
Unsere Vereinfachung besteht darin, für \alpha' auch \alpha zu nehmen. Der absolute Fehler beträgt dabei
\left|\alpha - \alpha'\right| \approx 0{,}057^\circ,
also weniger als ein zehntel Grad – diese Trickserei ist damit ziemlich klar zulässig.
0.0.1.1.6 ↑ Gedankliche Trickserei: Konzept des Punkts?
Eine Vereinfachung, die sich auch in vielen anderen Bereichen der Physik findet, ist das Konzept des mathematisch idealisierten Punkts. Im Gegensatz zur Mathematik, wo man bei allen differenzierbaren Kurven von infinitesimalen Punkten sprechen kann, kann man das in der Physik nur begrenzt – streng genommen müsste man immer von Intervallen sprechen.
Allerdings ist das Rechnen mit Intervallen um einiges komplizierter als das mit einfachen skalaren Zahlenwerten und ist wohl den Aufwand nicht wert.
Sind Missverständnisse ausgeschlossen, ist es daher durchaus zulässig diese theoretische Vereinfachung vorzunehmen. Wie bei allen anderen sprachlichen Vereinfachungen muss man nur darauf achten, dass alle Beteiligten wissen, was wirklich gemeint ist!
0.0.1.1.7 ↑ Frage: Trotz genauer Funktionsterme keine perfekten Interferenzminima im Graphenplotter
Eine Elementarwelle, die im Punkt (0,c) zur Zeit t = 0 entsteht, modellieren wir mathematisch als dreistellige Funktion. r_c(x,y) sei der Abstand eines bestimmten Wellenpunkts zum Wellenursprung.
f_c(x,y,t) = \underbrace{\frac{\hat A}{r_c(x,y)}}_{\scriptsize\begin{array}{@{}c}\text{Abnehmende}\\\text{Amplitude}\end{array}} \sin 2\pi \left[\omega t + \frac{1}{\lambda} r_c(x,y)\right]\!;
Die Überlagerung der Elementarwellen der beiden Spalte ist dann:
F(x,y,t) = f_c(x,y,t) + f_{-c}(x,y,t);
Damit ergibt sich der folgende Graph, der die Ausschläge in einem festen x zu drei verschiedenen Zeitpunkten in Abhängigkeit von y zeigt.
Unter einem Interferenzminimum versteht man einen Punkt, in dem der Gesamtausschlag zu jeder Zeit Null ist – ein Punkt, den man im Kontext stehender Wellen als Knoten bezeichnen würde.
Bei vielen Zeitpunkten stimmt unsere Erwartung auch mit dem Graph überein, zu einigen anderen Zeitpunkten aber "verfehlt" die Kurve den Nullpunkt knapp. Nur ein numerisches Artifakt oder habe ich eine Vereinfachung übersehen, welche das Ergebnis verfälscht?