0.0.1 ↑ Ethik Jesu
0.0.1.1 ↑ Der Kernsatz der Botschaft Jesu
Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen (Mk 1,15).
0.0.1.2 ↑ Zwei Aspekte der Botschaft Jesu
- a)
Präsentischer Aspekt ("schon jetzt")
Ethische Konsequenz: Sich schon jetzt ganz am Reich Gottes orientieren, d.h. im Sinne Jesu engagieren, [sich "fallen lassen"]. [Logisch: Wenn man glaubt, das Reich Gottes sei schon jetzt da, muss man sich ja auch dementsprechend so verhalten; wäre würr, zu glauben, es sei schon jetzt da, aber sich so zu verhalten, als wäre es nicht da.]
[Außerdem (klar): Man muss nicht mehr versuchen, das Reich Gottes herbeizuführen]
[Präsentischer Aspekt nur im Glaube zu realisieren; der Gläubige glaubt, dass diese Welt von Gottes Heil umschlossen ist; für ihn ist es Realität.]
[Mt 11,2–5: Bestätigung seitens Jesu, dass Jesus der Messias ist, erkennbar beispielsweise an den Wunderhandlungen (übertragen: es gibt schon im Hier und Jetzt Gutes)]
[Mt 13,44–46: "Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und er als eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie." – Wenn man den Schatz gefunden hat, ist alles andere unwichtig. Parallelen zur Jüngerberufung (Mt 4,18), die auch ihr soweit geregeltes Leben Halz über Kopf aufgeben, um Jesus nachzufolgen.]
- b)
Futurischer Aspekt ("noch nicht")
Ethische Konsequenz: Versuchen, so zu leben, dass man im kommenden Reich Gottes bestehen kann.
[Mt 24,42: "[...] ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt." (→ also futurisch.) Der Text spricht hier auch davon, dass man vorbereitet aufs Reich Gottes sein müsste. Das bezieht sich auf die Gerichtsaussagen, nach denen man wohl bestraft wird (ka wie genau), wenn man sich falsch ausgerichtet hat.]
[Mt 7,24–27: Wer Jesu Worte befolgt, gleich einem klugen Mann. Dieser Text, der zur Bergpredigt gehört, ist im Grunde Jüngerbelehrung, es geht um eine "bessere Gerechtigkeit". In diesem Kontext ist auch der Vergleich mit den Schriftgelehrten in Mt 7,29 ist gemeint. (Vgl. Mt 5,17–20)]
[Also bei beiden Aspekten die gleiche ethische Konsequenz, aber mit unterschiedlichen Begründungen]
[Kann man schon jetzt so leben, als wär das Reich Gottes da?
Wohl nicht, weil wir so sind, wie wir sind: Sünder.
Beispiele:
Umgang mit Geld (man könnte zu Weihnachten mehr spenden ("Gott wird für mich sorgen"; man könnte sich "fallen lassen"), trotzdem tut man es nicht),
Unverständnis für andere ("sorry, kann dir grad nicht helfen, hab keine Zeit")
Parallelen zur Vertreibung aus dem Paradies: Die Trennung (beispielsweise zum Nachbar, dem man nicht zuhört) ist im Menschen inhärent.
Aber nicht: "Wir sind ja alle Sünder, also kann ich selbst eh nix machen..."
("Der Wille zählt also durchaus.")]
"so leicht ist es, einen Beamten glücklich zu machen"
"dann stell' ich mich einfach ganz dumm und sag »ich hab's von ihm«"
"[Schüler wusste Fremdwort nicht, da er Französisch hatte] na dann ist es sowieso... nachgesehen"
0.0.1.3 ↑ Der Mensch vor der Botschaft des nahen Gottesreichs
In Anbetracht des nahen Gottesreichs wird die Unvollkommenheit des alten Äons deutlich. Außerdem wird deutlich, wie der Mensch an der ihm in Aussicht gestellten und ihm bereits jetzt beanspruchenden Gottesherrschaft scheitert.
[Aber: Unser Scheitern wird vom liebenden Vater aufgefangen. Diese Aussage ist deswegen berechtigt, da Jesus von Gott als liebenden Vater spricht.]
[Unsere aktuelle, jetzige Welt gehört zum alten Äon, ist aber schon "überhüllt", "auf dem Sprung".]
[In der Geschichte führten Leute, die meinten, sie seien Bastler des Reich Gottes (wie beispielsweise Hitler mit seinem Tausendjährigen Reich), immer zu Blutvergießen etc.]
[Menschen sind keine Bastler des Gottesreichs. Biblischer Beleg ist das Gleichnis vom Sähmann: Sähmann pflanzt was, und geht jeden Tag ans Feld, um zu schauen, ob es schon gewachsen ist – aber er selbst kann das Wachstum nicht beeinflussen; Gott macht, dass es wächst. Übertragen: Verbreitet man das Evangelium (die Samen), so entfaltet sich Gottes "Power". (Den Umkehrschluss zu ziehen wäre wahrscheinlich eine Überstrapazierung des Gleichnisses.)]
[Man wünscht sich Seligkeit nicht nur fürs Jenseits, beispielsweise hofft man (auch wenn es einen selbst evtl. nicht mehr betreffen wird), dass man einen Weg gegen die sich anbahnende Klimakatastrophe findet/beschreitet.]
[Das Reich Gottes gibt es im Hier und Jetzt nur ("nur") unter einem eschatologischen Vorbehalt: Das ist noch nicht alles, es wird noch mehr geben.]
[Sogar die Verbreitung des Evangeliums ist evtl. nicht immer unumstößlich richtig. (XXX Kontext?)]
"ich glaub', es wird schon deutlich, dass ich kein Ketzer bin"
[Es würde deswegen nicht klappen, schon jetzt so zu leben, als ob das Reich Gottes da wäre, da unser vorzeitliches Äon ein anderes Verhalten benötigt.]
"ich bin jetzt ein bisschen verwürrt"
"wenn der Herr Biet danach leben würde... der ist ja wesentlich weniger bedeutsam als Frau Merkel..."
"das [Stuhl austauschen] machen wir jetzt gleich mal, bevor alle in Wahnsinn verfallen"
["Hey, in der Bibel steht, Gott ernähre die Vögel (die Vögel betreiben keinen Ackerbau etc. und trotzdem überleben sie), daher lasst uns alle nichts tun!" – falsch, unsere Welt benötigt eine gewisse Ordnungsstruktur und ein anderes Verhalten. Außerdem sind wir ja alle Sünder.]
"ich bin schon wieder ein Stückchen näher der Wahrheit"
0.0.1.4 ↑ Die Bergpredigt (Mt 5–7)
["geistlich arm" = nicht auf die eigene Kraft vertrauen, sondern auf Gott; wie die Vögel]
[Wir besprechen die Bergpredigt anstatt die Feldrede, da die Bergpredigt bekannter ist.]
0.0.1.4.1 ↑ Entstehungsverhältnisse
[Einschub:] Die Zweiquellentheorie:
Mk (nach 70)
Mt (ca. 90): Mk, Q, \text{S}_{\text{Mt}}
Lk (ca. 90): Mk, Q, \text{S}_{\text{Lk}}
Q (ca. um 50): Logienquelle
[Interessanterweise immer gleicher Mk-Aufriss]
- a)
Die Bergpredigt ist keine Predigt Jesu, sondern eine bewusste Komposition des Mt. ["Mt war nicht Korrespondent der Jerusalem Post"]
[Die Bergpredigt begegnet nicht in Mk.]
[ipsissima vox Jesu]
- b)
Teile der Bergpredigt begegnen auch in der sog. Feldrede des Lukas (Lk 6,20–49).
[In Lk Ansprache an Jünger+Volk (sowie zweite Person), in Mt nur die Jünger (und dritte Person) → Lk ist wohl älter, also noch näher an Jesu Zeit]
- c)
Ihr Grundbestand dürfte von daher auf die Logienquelle Q zurückgehen.
[Die Stellen, die bei Lk nicht vorkommen, sind Eigengut des Mk.]
0.0.1.4.2 ↑ Gliederung der Bergpredigt
I. Einleitung (5,3--16)
a) Seligpreisungen (5,3--12)
b) Grundlegende Zusammenfassung des
Jüngerauftrags (5,13--16)
II. 1. Hauptteil (5,17--48)
a) Grundsatzerklärung zur neuen
Gesetzesauslegung Jesu (5,17--20)
b) Sechs Antithesen (5,21--48)
III. 2. Hauptteil (6,1--7,12)
a) Durchführungsbestimmungen (6,1--34)
[Insbes. inkl. Vater Under]
b) Mahnungen, die in der "Goldenen Regel" (7,12)
gipfeln
IV. Schlussteil (7,13--27)
Warnungen vor verschiedenen Formen des Ungehorsams
[Mt 7,12: Goldene Regel; im Volksmund negativ formuliert ("was du nicht willst, das man dir tut, füg' auch keinem anderen zu") und damit evtl. noch erfüllbar; Mt dagegen drückt die Regel positiv auf, man soll also etwas tun, was natürlich schwieriger ist.]
0.0.1.4.3 ↑ Ihr Interpretationsschlüssel
Jesus propagiert die neue Gerechtigkeit der Christen (vgl. Mt 5,17–20).
[Die Gesetze gelten weiterhin]
[Eine Gerechtigkeit, die besser ist, als die der Pharisäer]
0.0.1.4.4 ↑ Indikativ und Imperativ
Auch in der Bergpredigt ist durch die Voranstellung der Seligpreisungen der Indikativ dem Imperativ vorgeordnet.
[Und das, obwohl Mt eher Gesetzestyp ist]
"du machst den Markus ja ganz würr!"
[An wen richtet sich die Bergpredigt? – "und seine Jünger traten zu ihm" (Mt 5,1); laut Tauf- und Missionsbefehl (Mt 28,18aff.) werden alle Völker zu Jüngern gemacht]
0.0.1.4.5 ↑ [Deutungen der Bergpredigt (B. S. 106)
- a)
Radikale Interpretation der jüdischen Ethik: Die von Jesus radikalisierten Gebote werden als erfüllbar gedacht!
"das magische Dreieck meldet sich wieder"
- b)
Unmöglichkeit des Weges der Gesetzeserfüllung: "Christologische Deutung", entsprechend Luthers Gewissensverständnisses
- c)
Ethik der "Vollkommenen": Die Gebote der Bergpredigt werden nur auf Asketen, Mönche etc. bezogen.
Kontra: Die Bergpredigt richtet sich nicht nur an die zwölf "Hauptjünger" (bzw. übertragen also auf die Mönche etc.), sondern an alle.
- d)
Ethik innerhalb der christlichen Gemeinde: Deutung im Rahmen der Zweireichelehre; die Bergpredigt gilt nicht fürs öffentliche politische Leben
"jetzt bin ich völlig verwürrt"
(Skizzierung der Zweireichelehre: Es gibt den Bereich der Welt (wo's Sünde gibt) und den Gottes. Die Welt muss in Schranken gehalten werden, Amtsträger müssen, wenn nötig, Gewalt anwenden (Polizei etc.). Bei dem Bereich Gottes dagegen gelten ganz andere Regeln.)
(Als Mensch der Welt soll man sich wehren, wenn man überfallen wird; als Pfarrer dagegen sagen "komm, wir sind doch alle Brüder...".)
- e)
Interimsethik: Deutung von Albert Schweizer (der BTW die Erkenntnis hatte, dass die Leben-Jesu-Forschung lol ist)
Die Gebote werden als nur für die kurze Zeit ("drei Wochen") bis zum Kommen des Reich Gottes geltend gedacht.
(Jesus verstarb in der großen Enttäuschung "mein Gott, mein Gott, wieso hast du mich verlassen".)]
- f)
Gesinnungsethik: Nicht die Handlungen sind entscheidend, sondern die treibende Gesinnung.
Irrende Gesinnung möglich, solange nicht an Wort Gottes gebunden.
(Übrigens kennt das AT überhaupt keine Gesinnungsethik.)
- g)
Überprägnante Normen: "Das Unmögliche versuchen um das Mögliche zu erreichen."
Die Gebote sind also als unmöglich zu erfüllen gedacht, aber trotzdem sinnvoll, da man, wenn man trotz der Unmöglichkeit ihrer Erfüllung versucht, sie einzuhalten, das Mögliche erreicht.
- h)
Konzept einer zu realisierenden Gesellschaftsordnung: Der Mensch soll eine sozialrevolutionäre Veränderung herbeiführen.
Gefährlich, siehe Hitlers Tausendjähriges Reich etc. Biblisches Kontraargument: Gleichnis vom Sähmann.
"[Kollegen habe quietschende Stühle noch nie bemerkt] also insofern liegt's wahrscheinlich an uns... seltsame Wahrnehmung..."
[Option b) wohl am coolsten.]
[(V.a.) im lutherischen Bereich Auffassung, politische Fragen seien mit Verkunft zu klären]
[Oft ist es wohl so, dass man irgendwas will, und dann daraufhin sich vernünftige Argumente sucht]
0.0.1.5 ↑ Grundlegende Aspekte christlicher Welt und christlichen Menschenverständnisses
0.0.1.5.6 ↑ Der Mensch ist Geschöpf Gottes
Jedes Leben hat Wert und Würde.
Jedes Leben vollzieht sich in Beziehungen: zum Schöpfer und zum Mitgeschöpf.
Jeder Mensch ist elementar "bedürftig".
0.0.1.5.7 ↑ Der Mensch als Sünder
Die Wirklichkeit des Bösen ist ernstzunehmen.
Die Überwindung des Bösen geschieht letztlich von Gott her!
Auch das Eintreten für das "Gute" kann böse Folgen haben ("Sündhaftigkeit der Welt").
Es kann nicht darum gehen, sich eine "saubere Weste" zu bewahren (Vertrauen auf Gottes Rechtfertigung).
0.0.1.5.8 ↑ Dem Menschen gilt das Evangelium
Jeder darf sich von Gott angenommen wissen.
Der Mensch ist gleichsam Gerechter und Sünder bzw. faktisch Sünder, aber auf Hoffnung hin gerechtfertigt.
Als Angenommener und Geliebter kann er wiederum den Nächsten annehmen.
0.0.1.5.9 ↑ Dem Mensch wird Zukunft eröffnet
Der Mensch muss nicht das "Reich Gottes" herbeizwingen.
Er muss unterscheiden zwischen "Vorletztem" und "Letztem" [XXX].
Das jeweilige Scheitern ist im Blick aufs Kreuz nicht einfach sinnlos: Gott wird den Sieg behalten!