0.0.1 ↑ Kurscharakteristik
Mathematik ist wie Fußball spielen: Nur weil man die Regeln kennt, ist man noch lange kein guter Spieler...
Die erste Frage, die sich uns bei der Überlegung, wie eine Charakteristik auszusehen hat, stellt, ist die, ob eine Form nicht viel mehr eine Denkgewohnheit als eine tatsächliche Notwendigkeit darstellt.
Wenn man nun nicht erkennt, dass Fragen dieser Art elementarer Bestandteil des wirklichen Mathematikunterrichts sind, offenbart man nur sein persönliches neurotisches Verhältnis zur Mathematik per se.
Diejenigen Menschen, auf die dies zutrifft, können eineindeutig – aber nicht surjektiv – auf die Menge derer abgebildet werden, die unter der Last von Schlagzeilen wie "seit wann sind wir nicht mehr sicher?!" zusammenbrechen und durch Selbstoffenbarungen wie "ich habe Mathematik auch nie verstanden" klarmachen, wie verdrängend und senil sie im Grunde sind.
Das bedeutet jetzt nicht, dass diese Leute dumm sind. Vielmehr liegt die Ursache des nicht gefundenen Ausgangs aus der mitunter jedoch selbst verschuldeten Unmündigkeit mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit in der Schizophrenie der heutigen Gesellschaft. Oder umgekehrt.
Dem Protagonisten des Grauen Alltags würde es – so scheint es zumindest – mehr Energie abverlangen, das Weltbild an die unleugbaren Gegebenheiten der "Realität" anzupassen, als mit allen Mitteln das Existente zu flicken und abzustützen – selbst auf die erhebliche Gefahr hin, Tatsachen verdrehen zu müssen, damit sie der Wirklichkeitsauffassung nicht widersprechen: Finde ich heraus, dass Bester Freund mich immer belügt, so hat er mich nicht belogen, nein!, schließlich wäre er sonst nicht Bester Freund!
Die Mathematik als Brennspiegel, die nur betrachtet, was sowieso schon da ist, offenbart in ihrer Asinnigkeit diese Paradoxa. Im ständigen Bestreben des "normalen" Schülers, seine Welt aufrechtzuerhalten, wehrt er sich daher gegen die Befreiung durch die Mathematik als einzig verbliebene Geisteswissenschaft am Gymnasium. Und damit ist er nicht alleine; auch der typische Bürger tut dies. Der Grund dafür ist klar; Befreiung tut weh, genau wie der Tropfen der Vernunft zischt, wenn er auf den erstarrten Kalk der Gesellschaft trifft.
Ein weiteres Problem ist, dass die Mathematik und der Mathematikunterricht im wahrsten Sinne des Wortes ex-klusiv sind und sich der "vernünftige" Schüler (zu Recht) nach Jahren der Denk-Entfremdung gegen das Interesse am erwähnten Unterricht wehrt. Schließlich ist der Grund für den Besuch des Gymnasiums ein rein pragmatischer – das Statussymbol Abitur wird angestrebt!
Wir sind letztendlich froh darüber, uns für den richtigen Leistungskurs entschieden zu haben. Wir fanden heraus, dass Steine vor Newton im wahrsten Sinne des Wortes ungesetzlich fielen, die elfte Klasse überflüssig war und (noch immer) ist, und wir mit Mathematik die richtige Wahl getroffen haben. Manchmal (ok, oft) tat es weh, doch zum Glück war es für uns noch nicht zu spät, den Zug der Vernunft zu erreichen...