Zuletzt geändert: So, 18.12.2005

«K12/K13» 37. Hausaufgabe als Plakat.latex «PDF», «POD»



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\pdfinfo{
  /Author (Ingo Blechschmidt <iblech@web.de>)
}

\title{$I$ ohne $\Delta Q$!}
\author{Ingo Blechschmidt}

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% From http://help-csli.stanford.edu/tex/latex-footnotes.shtml
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\begin{document}

%\begin{center}
%  \huge
%  $I$ ohne $\Delta Q$! \\
%  Elektrischer Strom ohne Ladungstransport!
%\end{center}
\large

\textbf{Wiederholung.} Wir wissen bereits, dass jeder Strom $I$ durch einen
langen, geraden Leiter mit kleinem Querschnitt ein Magnetfeld der Flussdichte
\[ \mathcal{B}(r) = \frac{\mu_0}{2 \pi} \frac{I}{r} \]

erzeugt, dessen Orientierung mit der Rechte--Hand-Regel festgestellt werden
kann.

Wir wissen auch, dass die Stromstärke $I$ als Grenzwert des Quotienten aus
übertragender Ladung und dafür benötigter Zeit definiert ist, also
\[ I := \lim\limits_{\Delta t \to 0\,\mathrm{s}} \frac{\Delta Q}{\Delta t} =
\dot{Q}; \]

\textbf{Versuch.} Eine Spannungsquelle wird mit einem Kondensator leitend
verbunden, ein in den Stromkreis eingebauter Schalter ermöglicht das gezielte
Schließen des Kreises. Ein in Reihe geschaltetes Strommessgerät registriert den
beim Schließen des Schalters zu erwartenen Aufladestrom, eine zwischen den
Kondensatorplatten befindliche HALLsonde registriert eventuelle Magnetfelder.

\textbf{Beobachtung.} Schließt man nun den Schalter, wird das Strommessgerät
wie erwartet den kurzzeitigen Aufladestrom anzeigen, welcher erst zunehmen,
dann ein Maximum erreichen und schließlich wieder abnehmen wird.

Interessanter sind die Aufzeichnungen der HALLsonde -- sie misst während des
Aufladevorgangs, also während auch das Strommessgerät eine von Null
verschiedene Stromstärke anzeigt, eine von Null verschiedene magnetische
Feldstärke!

\textbf{Erklärung.} Zur Erklärung der Beobachtung kann man die
Flä\-chen\-la\-dungs\-dich\-te bzw. die Flussdichte
\[ D = \frac{Q}{A} = \varepsilon_0 \mathcal{E} \]

nutzen. Formt man diese nach der nach dem Ladungsvorgang auf dem Kondensator
befindliche Ladung $Q$ um, so erhält man
\[ Q = \varepsilon_0 A \,\mathcal{E}; \]

Dabei bezeichnet $\mathcal{E}$ die elektrische Feldstärke zwischen den
Kondensatorplatten. Ableitung dieser Größe nach der Zeit ergibt
\[ \dot{Q} = \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\, \varepsilon_0 A \,\mathcal{E}; \]

Dieser Ausdruck lässt sich unter der Annahme konstanter Plattenflächen $A$
weiter vereinfachen. Besonders interessant ist, dass die linke Seite der
Gleichung -- $\dot{Q}$ -- auch in der obigen Definition der Stromstärke $I$
vorkommt; Identifikation von $\dot{Q}$ mit $I$ liegt also nahe: \[ \dot{Q} =
\varepsilon_0 A \,\dot{\mathcal{E}} = A \,\dot{D} =: I_{\text{V}}\text{!} \]

Wir stellen uns vor, dass dieser Strom -- Verschiebungsstrom genannt --
zwischen den Platten fließt.

Über die physikalische Relevanz dieser Größe lässt sich erst einmal noch nichts
sagen; die Mathematik hinter ihr ist aber sicherlich korrekt.

$I_{\text{V}}$ ist nicht konstant, da die Zahl der von der Spannungsquelle auf
die Kondensatorplatten fließenden Ladungen sich zeitlich verändert. Wie beim
Aufladestrom wird $I_{\text{V}}$ erst zunehmen, dann ein Maximum erreichen und
schließlich wieder abnehmen.

\textbf{Erklärung (zweiter Teil).} Wenn also "`tatsächlich"' ein Strom
$I_{\text{V}}$ wäh\-rend des Aufladens zwischen den Platten fließt bzw. wir so
denken können, als ob ein Strom fließe, so muss dieser Strom auch ein
Magnetfeld erzeugen. Dessen Flussdichte $\mathcal{B}_{\text{V}}$ lässt sich
über die oben angegebene Formel bestimmen:
\[ \mathcal{B}_{\text{V}}(r) = \frac{\mu_0}{2 \pi} \frac{I_{\text{V}}}{r} =
\frac{\mu_0}{2 \pi} \,\varepsilon_0 A \,\dot{\mathcal{E}} \,\frac{1}{r}; \]

Mit $\varepsilon_0 = \frac{1}{\mu_0 c^2}$ lässt sich diese Formel noch weiter
vereinfachen:
\[ \mathcal{B}_{\text{V}}(r) = \frac{\mu_0}{2 \pi} \,\varepsilon_0 A
\,\dot{\mathcal{E}} \,\frac{1}{r} = \frac{\mu_0}{2 \pi} \frac{1}{\mu_0 c^2} \,A
\,\dot{\mathcal{E}} \,\frac{1}{r} = \frac{A}{2\pi c^2} \frac{1}{r}
\,\dot{\mathcal{E}}; \]

Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Messergebnis der HALLsonde; also können wir
nun eine Aussage über die physikalische Relevanz des Verschiebungsstroms
$I_{\text{V}}$ treffen: Obwohl keine Ladungen von einer Platte zur anderen
transportiert werden, können wir uns vorstellen, dass ein Strom fließe, da
beispielsweise das Magnetfeld dieses Stroms konkret messbar ist.

Es stellt sich die Frage, was wir unter einem Strom verstehen. Verstehen wir
unter einem Stromfluss ausschließlich den Transport von Ladungen, so kann man
nicht von einem Verschiebungsstrom $I_{\text{V}}$ sprechen. Versteht man aber
unter Strom die zeitliche Änderung von $Q$, also $\dot{Q}$, so ist der Ausdruck
"`Verschiebungsstrom"' durchaus gerechtfertigt.

Dieses Magnetfeld ist, genau wie Auflade- und Verschiebungsstrom, zeitlich
veränderlich Der Grund dafür ist unmittelbar aus der ersten, noch nicht
umgeformten Gleichung für $\mathcal{B}_{\text{V}}(r)$ einsehbar --
$\mathcal{B}_{\text{V}}(r) \sim I_{\text{V}}$.

\textbf{Kondensator.} Einige weitere interessante Zusammenhänge erhalten wir,
wenn wir versuchen, die Kondensatorkapazität $C = \varepsilon_0 \,\frac{A}{d}$ in
die Formel für den Verschiebungsstrom $I_{\text{V}}$ zu integrieren:
\[ I_{\text{V}} = \varepsilon_0 A \,\dot{\mathcal{E}} = Cd \,\dot{\mathcal{E}}
= Cd \left(\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t} \frac{U}{d}\right) = C \dot{U}; \]

Der Verschiebungsstrom $I_{\text{V}}$ ist also zur Spannungsänderung $\dot{U}$
direkt proportional; die Kapazität $C$ ist der Proportionalitätsfaktor. 
\[
  \renewcommand{\arraystretch}{1.2}
  \begin{array}{@{}rcl@{}}
    Q                      &\sim& U; \\
    I_{\text{V}} = \dot{Q} &\sim& \dot{U}; \\
  \end{array}
\]

\textbf{Bedeutung.} Wo immer ein elektrisches Feld auf- oder abgebaut wird,
können wir uns einen Strom denken, der ein Magnetfeld erzeugt. Die zeitliche
Änderung eines elektrischen Felds bewirkt also den Aufbau eines Magnetfelds,
ohne dass Magneten im Spiel sind!

Zusammen mit der schon bekannten Erkenntnis, dass die zeitliche Änderung
eines Magnetfelds zum Aufbau eines elektrischen Felds führt, bringt uns zu
folgender Erkenntnis:

\begin{quote}
  \textbf{Elektrische Felder sind stets mit magnetischen Feldern gekoppelt;}

  zeitlich veränderliche $\mathcal{E}$- und $\mathcal{B}$-Felder treten stets
  zusammen auf.
\end{quote}

\textbf{Fragen.} Wir hatten festgestellt, dass der zeitlich veränderliche
Verschiebungsstrom ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt. Zeitlich
veränderliche Magnetfelder verursachen bekanntlich eine
In\-duk\-tions\-span\-nung. Nach der LENZschen Regel muss diese
In\-duk\-tions\-span\-nung ihrer Ursache entgegenwirken, also gegen die
Spannung der Spannungsquelle gerichtet sein, sodass die effektiv anliegende
Spannung $U_0 - U_{\text{ind}_{\text{V}}}$ ist. Korrekt?

In welcher Größenordnung liegt diese Spannung in praktischen Versuchen?

Beim Entladen des Kondensators dreht sich der Verschiebungsstrom um. Damit
dreht sich auch die Richtung der In\-duk\-tions\-span\-nung um. Damit erfordert
auch das Ausschalten des Kondensators die Überwindung der
In\-duk\-tions\-span\-nung. Korrekt?

(Dies zeigt auch interessante Parallelen zur Selbstinduktion bei Spulen!)

\end{document}