Zuletzt geändert: Mi, 21.02.2007

«K12/K13» Grenzwerte bei rationalen Funktionen «PDF», «POD»




0.1 Grenzwerte bei rationalen Funktionen

0.1.1 Grundlegende Terminologie

f(x) = \frac{z(x)}{n(x)};f(x) = z(x) n(x);

  • zz: Zählerpolynom

    nn: Nennerpolynom

  • Zählergrad: Größter Exponent, der im Zählerpolynom zz verwendet wird

    Nennergrad: Größter Exponent, der im Nennerpolynom nn verwendet wird

    Höchste Potenz: x^{\text{insgesamt größter Exponent}}xinsgesamt grter Exponent

  • "Grenzwert im Unendlichen existiert nicht":

    Man schreibt \lim\limits_{x \to \pm\infty} f(x) = \inftylimx±f(x) = , meint aber (trotz des Gleichheitszeichens), dass der Grenzwert nicht existiert – dass es keinen Wert gibt, dem sich ff immer weiter annähert; stattdessen divergiert ff ("haut ins Unendliche ab").

  • \lim\limits_{x \to x_0+}limxx0+: Man nähert sich von rechts, also von größeren xx-Werten als x_0x0, an die Stelle x_0x0 an (andere Schreibweisen sind auch üblich)

    \lim\limits_{x \to x_0-}limxx0: Man nähert sich von links, also von kleineren xx-Werten als x_0x0, an die Stelle x_0x0 an

Beispiel:

f(x) = \frac{3x^2 + 5x}{9x^3 - 2x + 3}f(x) = 3x2+5x 9x32x+3

  • Zählerpolynom: z(x) = 3x^2 + 5xz(x) = 3x2 + 5x

    Nennerpolynom: n(x) = 9x^3 - 2x + 3n(x) = 9x3 2x + 3

  • Zählergrad: 22 (wg. 3x^23x2)

    Nennergrad: 33 (wg. 9x^39x3)

    Höchste Potenz: x^3x3

0.1.2 Verhalten im Unendlichen

Gefragt ist nach dem Grenzwert \lim\limits_{x \to \pm\infty} f(x) = \lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{z(x)}{n(x)}limx±f(x) = limx±z(x) n(x)

0.1.2.1 Anschaulich

Im Unendlichen (egal ob positiv oder negativ Unendlichen) zählen nur die jeweils höchsten Potenzen, die anderen "sind so klein, dass sie nichts ausmachen".

Beispiele:

  • f(x) = \frac{3x^2 + 5x}{9x^3 - 2x + 3} \approx \frac{3x^2}{9x^3} = \frac{1}{3x};f(x) = 3x2+5x 9x32x+3 3x2 9x3 = 1 3x;

    \lim\limits_{x \to \infty} f(x) = \lim\limits_{x \to \infty} \frac{1}{3x} = 0;limxf(x) = limx 1 3x = 0;

    \lim\limits_{x \to -\infty} f(x) = \lim\limits_{x \to -\infty} \frac{1}{3x} = 0;limxf(x) = limx 1 3x = 0;

  • f(x) = \frac{3x^2 + 5x}{9x^2 - 2x + 3} \approx \frac{3x^2}{9x^2} = \frac{1}{3};f(x) = 3x2+5x 9x22x+3 3x2 9x2 = 1 3;

    \lim\limits_{x \to \infty} f(x) = \lim\limits_{x \to \infty} \frac{1}{3} = \frac{1}{3};limxf(x) = limx1 3 = 1 3;

    \lim\limits_{x \to -\infty} f(x) = \lim\limits_{x \to -\infty} \frac{1}{3} = \frac{1}{3};limxf(x) = limx1 3 = 1 3;

  • f(x) = \frac{3x^3 + 5x}{9x^2 - 2x + 3} \approx \frac{3x^3}{9x^2} = \frac{x}{3};f(x) = 3x3+5x 9x22x+3 3x3 9x2 = x 3 ;

    \lim\limits_{x \to \infty} f(x) = \lim\limits_{x \to \infty} \frac{x}{3} = \infty;limxf(x) = limxx 3 = ;

    \lim\limits_{x \to -\infty} f(x) = \lim\limits_{x \to -\infty} \frac{x}{3} = -\infty;limxf(x) = limxx 3 = ;

0.1.2.2 Formal

Zähler und Nenner beide durch die höchste Potenz teilen, also mit der höchsten Potenz kürzen.

Beispiele:

  • f(x) = \frac{3x^2 + 5x}{9x^3 - 2x + 3};f(x) = 3x2+5x 9x32x+3;

    \lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^2 + 5x}{9x^3 - 2x + 3} = {}\lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^2/x^3 + 5x/x^3}{9x^3/x^3 - 2x/x^3 + 3/x^3} = {}\frac{0 + 0}{9 - 0 + 0} = \frac{0}{9} = 0;limx± 3x2+5x 9x32x+3 = limx± 3x2x3+5xx3 9x3x32xx3+3x3 = 0+0 90+0 = 0 9 = 0;

  • f(x) = \frac{3x^2 + 5x}{9x^2 - 2x + 3};f(x) = 3x2+5x 9x22x+3;

    \lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^2 + 5x}{9x^2 - 2x + 3} = {}\lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^2/x^2 + 5x/x^2}{9x^2/x^2 - 2x/x^2 + 3/x^2} = {}\frac{3 + 0}{9 - 0 + 0} = \frac{3}{9} = \frac{1}{3};limx± 3x2+5x 9x22x+3 = limx± 3x2x2+5xx2 9x2x22xx2+3x2 = 3+0 90+0 = 3 9 = 1 3;

  • f(x) = \frac{3x^3 + 5x}{9x^2 - 2x + 3};f(x) = 3x3+5x 9x22x+3;

    \lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^3 + 5x}{9x^2 - 2x + 3} = {}\lim\limits_{x \to \pm\infty} \frac{3x^3/x^3 + 5x/x^3}{9x^2/x^3 - 2x/x^3 + 3/x^3} = \mathord{?};limx± 3x3+5x 9x22x+3 = limx± 3x3x3+5xx3 9x2x32xx3+3x3 = ?;

    Problem: Nenner ist Null → den Grenzwertübergang kann man nicht ausführen; der Grenzwert existiert nicht, ff divergiert also.

0.1.2.3 Merkregeln
  • \text{Zählergrad} < \text{Nennergrad}Zhlergrad < Nennergrad: Funktion konvergiert gegen Null (bei beiden Seiten, also wenn gegen -\infty und gegen +\infty+ gehend)

  • \text{Zählergrad} = \text{Nennergrad}Zhlergrad = Nennergrad: Funktion konvergiert (bei beiden Seiten) gegen den Wert, der sich ergibt, wenn man alle bis auf die jeweils höchste Potenzen LÖSCHT

    Beispiel:

    \lim\limits \frac{3x^2 + 5x}{9x^2 - 2x + 3} = \frac{3}{9} = \frac{1}{3};lim 3x2+5x 9x22x+3 = 3 9 = 1 3;

  • \text{Zählergrad} > \text{Nennergrad}Zhlergrad > Nennergrad: Funktion divergiert; der Grenzwert existiert nicht

    Ob die Funktion gegen +\infty+ oder -\infty strebt, wenn man gegen +\infty+ oder -\infty läuft, erkennt man am einfachsten über die anschauliche Argumentation.

0.1.3 Verhalten an einer bestimmten Stelle

Gefragt ist nach dem Grenzwert \lim\limits_{x \to x_0} f(x) = \lim\limits_{x \to x_0} \frac{z(x)}{n(x)}limxx0f(x) = limxx0 z(x) n(x) mit x_0 \in \mathds{R}x0 ; hier geht es also nicht um das Verhalten im Unendlichen.

0.1.3.1 Vorgehen zum Bestimmen des Grenzwerts an einer bestimmten Stelle
0.1.3.1.1 Kürzen

Man versucht, den Unterausdruck, der Probleme macht (weil er zu einer Division durch Null führen würde), zu kürzen:

\lim\limits_{x \to 1+} \frac{\left(x-1\right) \left(x-2\right)}{x-1} = {}\lim\limits_{x \to 1+} \left(x-2\right) = {}1-2 = -1;limx1+x1x2 x1 = limx1+ x 2 = 1 2 = 1;

0.1.3.1.2 Faktorisieren

Man versucht, Zähler- und Nennerpolynom zu faktorisieren, um danach kürzen zu können:

\lim\limits_{x \to 1+} \frac{x^2 - 3x + 2}{x - 1} = {}\lim\limits_{x \to 1+} \frac{\left(x-1\right) \left(x-2\right)}{x-1} = {}\text{(wie oben)} = -1;limx1+x23x+2 x1 = limx1+x1x2 x1 = (wie oben) = 1;

Faktorisieren von quadratischen Ausdrücken über die Lö­sungs­for­mel: ax^2 + bx + c = a \left(x - x_1\right) \left(x - x_2\right)ax2 + bx + c = a x x1 x x2 mit x_{1,2} = \frac{-b \pm \sqrt{b^2 - 4ac}}{2a};x1,2 = b±b2 4ac 2a ;

Faktorisieren von kubischen Ausdrücken durch Erraten einer Nullstelle und anschließender Polynomdivision

0.1.3.1.3 hh-Methode

Man drückt das Annähern gegen die Stelle x_0x0 durch Annähern an 00 aus. Diese Methode kann man nicht anwenden, wenn man eh schon den Grenzwert an der Stelle 00 bestimmen will.

Beispiel (Substitution x = 1 + hx = 1 + h):

\lim\limits_{x \to 1+} \frac{x^2 - 3x + 2}{\left(1 + h\right) - 1} = {}\lim\limits_{h \to 0+} \frac{\left(1 + h\right)^2 - 3 \left(1 + h\right) + 2}{1 + h - 1} = {}\lim\limits_{h \to 0+} \frac{1 + 2h + h^2 - 3 - 3h + 2}{h} = {}\lim\limits_{h \to 0+} \frac{h^2 - h}{h} = {}\lim\limits_{h \to 0+} \left(h - 1\right) = -1;limx1+x23x+2 1+h1 = limh0+1+h231+h+2 1+h1 = limh0+1+2h+h233h+2 h = limh0+h2h h = limh0+ h 1 = 1;

Man lässt das hh immer von rechts gegen 00 gehen, unabhängig davon, ob der ursprüngliche Grenzwertprozess von links oder rechts durchgeführt werden sollte.

Man substituiert wie folgt:

  • x = x_0 + hx = x0 + h, wenn der ursprüngliche Grenzwertprozess von rechts ausgeführt werden sollte

  • x = x_0 - hx = x0 h, wenn der ursprüngliche Grenzwertprozess von links ausgeführt werden sollte

0.1.3.2 Anwendungen des Grenzwerts an einer bestimmten Stelle
0.1.3.2.4 Behebung von Definitionslücken

Beispiel:

f(x) = \frac{x^2 - 3x + 2}{x - 1}; \quad D_f = \mathds{R} \setminus \left\{ 1 \right\};f(x) = x23x+2 x1 ;Df = 1;

Man kann eine Funktion an einer Definitionslücke dann stetig er­gän­zen, wenn der Grenzwert von links mit dem von rechts an der Stelle übereinstimmt:

\lim\limits_{x \to 1+} f(x) = \text{(wie oben)} = -1;limx1+f(x) = (wie oben) = 1;

\lim\limits_{x \to 1-} f(x) = \cdots = -1;limx1f(x) = = 1;

Man kann somit folgende Funktion \tilde ff̃ konstruieren, die in allen Stellen, an denen auch die ursprüngliche Funktion ff definiert ist, mit ff übereinstimmt, und die an der Definitionslücke – anders als ff – kein Loch hat, sondern wohldefiniert ist:

\tilde f(x) = \begin{cases} {} \frac{x^2 - 3x + 2}{x - 1} & \text{für } x \neq -1; \\ {} -1 & \text{für } x = -1; \end{cases}f̃(x) = x23x+2 x1 fr x 1; 1 fr x = 1;

Hat man zum Bestimmen der Grenzwerte faktorisiert, kann man \tilde ff̃ auch nicht durch eine abschnittsweise Definition ausdrücken:

f(x) = \frac{x^2 - 3x + 2}{x - 1} = \text{(\ldots faktorisieren\ldots)} = \frac{\left(x - 1\right) \left(x - 2\right)}{x - 1};f(x) = x23x+2 x1 = (…faktorisieren…) = x1x2 x1 ;

\tilde f(x) = x - 2;f̃(x) = x 2;

Obacht: Auch wenn man den Funktionsterm der ursprünglichen Funktion kürzt, also schreibt...

f(x) = \frac{x^2 - 3x + 2}{x - 1} = \text{(\ldots faktorisieren\ldots)} = \frac{\left(x - 1\right) \left(x - 2\right)}{x - 1} = x - 2;f(x) = x23x+2 x1 = (…faktorisieren…) = x1x2 x1 = x 2;

...so ist die ursprüngliche Funktion trotzdem nicht an der problematischen Stelle definiert! Der Definitionsbereich ändert sich nicht durchs Kürzen!

0.1.3.2.5 Überprüfung auf Stetigkeit

Eine Funktion ff ist an einer Stelle x_0x0 genau dann stetig, wenn der Grenzwert von links mit dem von rechts und zusätzlich noch dem Funktionswert übereinstimmt; in Symbolen:

ff stetig an x_0x0\lim\limits_{x \to x_0+} f(x) = \lim\limits_{x \to x_0-} f(x) = f(x_0);limxx0+f(x) = limxx0f(x) = f(x0);

Sollte einer der beiden Grenzwerte oder sogar beide Grenzwerte nicht existieren, so ist die Funktion an der jeweiligen Stelle nicht stetig.