0.0.1 ↑ 77. Hausaufgabe
0.0.1.1 ↑ Plakat zur Wellenbeugung und -brechung
0.0.1.1.1 ↑ Darstellung von Wellen
Um verschiedene Wellenphänomene anschaulich verstehen zu können, sind grafische Darstellungsformen von Wellen hilfreich.
Nahe an der Mathematik ist die Darstellung von Wellen im kartesischen Koordinatensystem. Die Ausbreitungsachse wird meistens horizontal gewählt, das Signal wird nach oben aufgetragen.
Diese Darstellung kann verwirrend sein, wenn man den Kurvenverlauf irrtümlicherweise für den Verlauf der Wellenausbreitung hält. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass man unterschiedliche Polarisationsgrade nur dann festhalten kann, wenn man das Koordinatensystem auf drei Dimensionen erweitert. In diesem Fall ist eine quantitative Interpretation aber mitunter schwierig.
Vorteilhaft ist die Nähe zur mathematischen Repräsentation von Wellen als Funktion. Außerdem kann man bei dieser Darstellungsform die Ausbildung stehender Wellen und Wellenüberlagerung sehr gut nachvollziehen.
Alternativ kann man auch nur die Wellenfronten einzeichnen – die Punkte einer Welle, deren Phase gleich einem bestimmten Wert ist, auf den man sich verständigt. Üblicherweise nimmt man bei sinusförmigen Wellen die Wellenberge als Wellenfronten her.
Vorteil dieser Darstellungsart kann sein, dass die für die Illustration eines bestimmten Phänomens wesentlichen Informationen (beispielsweise Position und Ausbreitung der Wellenfronten) nicht in unwesentlichen Informationen (beispielsweise Signalrichtung) untergehen.
Nachteilig kann sein, dass man möglicherweise die Lichterscheinungen fotografischer Aufnahmen von Wellenbädern direkt mit Wellenfronten identifiziert, und somit aus den Augen verliert, dass man über ein Modell spricht (Stichwort "Teilchenmärchen").
Schließlich ist es auch möglich, nur die Ausbreitungsrichtung von Wellen einzuzeichnen, wobei man sich nach ästhetischen Gesichtspunkten einen oder mehrere Repräsentanten (Pfeile) des Ausbreitungsvektors der Welle aussucht.
Diese Darstellungsvariante ist in der Hinsicht gefährlich, als dass man leicht die Wellencharakteristik von Wellen aus den Augen verlieren kann, wenn man eine Welle als eine einzige gerade Linie zeichnet; man kann ins Denken von "Wellen-" bzw. "Lichtstrahlen" verfallen.
Besonders gefährlich ist das dann, wenn man sowieso schon Unsauberkeiten der Alltagssprache bewusst wahrnehmen muss, weil man auf dem Gebiet der Wellenphänomene sowieso noch nicht allzu bewandert ist. Gezeichnete "Lichtstrahlen" erschwert diesen Prozess des Bewusstwerdens.
Der Grund für die Vielzahl geometrischer Darstellungsarten von Wellen liegt darin, dass Wellen mathematisch sehr komplexe Objekte sind.
Eine Zahl aus \mathds{R} stellt kein Problem dar.
Eine Schwingung, mathematisch als Funktion der Zeit (\mathds{R} \to \mathds{R}) modelliert (y(t)), ist schon anspruchsvoller, lässt sich aber noch mit den Mitteln der Mathematik der elften Jahrgangsstufe vollständig in Griff bekommen – beispielsweise ist die Ableitung nach einer Variablen kein Problem.
Gezeichnet werden kann eine Schwingung in einem y-t-Diagramm – y(t) hängt schließlich nur von einer einzigen Variable ab.
Eine Welle dagegen ist weitaus anspruchsvoller und lässt sich nicht mit der Mathematik der 11. oder 12. Jahrgangsstufe vollständig analysieren.
Modelliert werden Wellen als Funktionen der Zeit und des Ortes (\mathds{R} \times \mathds{R} \to \mathds{R}; y(x,t)).
Wollte man die übliche Darstellungsmethode von Schwingungen auf Wellen – binäre Funktionen – erweitern, müsste man dreidimensionale y-x-t-Diagramme zeichnen. Das Zeichnen selbst ist für Computer kein Problem; solche Diagrame zu interpretieren – insbesonders quantitativ zu interpretieren – ist für Menschen jedoch nicht einfach – der Grund für die Vielzahl anderer Darstellungsformen.
0.0.1.1.2 ↑ Wellenbrechung
Unter Brechung versteht man die Änderung der Ausbreitungsrichtung einer Welle, die beim Wechsel zwischen zwei Medien unterschiedlicher Brechungsindizes auftritt. Brechung ist charakteristisch für alle Arten von Wellen.
Wellen nehmen nicht den Weg, der am räumlich kürzesten ist, sondern den, der zeitlich am schnellsten ist. Mit diesem Ansatz lässt sich das (SNELLiussche) Brechungsgesetz herleiten:
Die Zeit, die die Welle benötigt, um von A nach B zu gelangen, ergibt sich zu:
t_{\text{nötig}}(x) = \frac{\overline{A0}}{c_1} + \frac{\overline{0B}}{c_2} = \frac{\sqrt{a^2 + x^2}}{c_1} + \frac{\sqrt{b^2 + \left(d - x\right)^2}}{c_2};
Gesucht ist jetzt nach dem x, für das die benötigte Zeit möglichst gering wird. Also leiten wir nach x ab und setzen auf 0 \,\frac{\mathrm{s}}{\mathrm{m}}:
\begin{array}{@{}rcl} {} t_{\text{nötig}}'(x) &=& {} \frac{1}{c_1} \frac{1}{2 \sqrt{a^2 + x^2}} \cdot 2x - {} \frac{1}{c_2} \frac{1}{2 \sqrt{b^2 + \left(d - x\right)^2}} \cdot {} 2\left(d - x\right) \cdot \left(-1\right) = \\ {} &=& \frac{1}{c_1} \frac{x}{\sqrt{a^2 + x^2}} - {} \frac{1}{c_2} \frac{d - x}{\sqrt{b^2 + \left(d - x\right)^2}} {} \stackrel{\text{!}}{=} 0 \,\frac{\mathrm{s}}{\mathrm{m}}; \end{array}
Ähnlich wie bei der Herleitung der THOMSONschen Schwingungsgleichung, bei der uns die mathematische Lösung der Differentialgleichung – x(t) – nicht so sehr interessiert hat wie die das System charakterisierende physikalisch relevante Konstante \omega, interessieren wir uns auch hier weniger für x, sondern vielmehr für eine geeignete Umformung:
\frac{1}{c_1} \frac{x}{\sqrt{a^2 + x^2}} - \frac{1}{c_2} \frac{d - x}{\sqrt{b^2 + \left(d - x\right)^2}} = \frac{1}{c_1} \sin \alpha - \frac{1}{c_2} \sin\beta = 0 \,\frac{\mathrm{s}}{\mathrm{m}};
Weitere Umformung führt dann zum Brechungsgesetz:
\frac{\sin\alpha}{\sin\beta} = \frac{c_1}{c_2};
Möchte man Wellen nicht auf ihre Ausbreitungsrichtung reduzieren, kann man sich des HUYGENSschen Prinzip bedienen. Nach dem HUYGENSschen Prinzip kann man sich jede Stelle der Übergangslinie zwischen den zwei Medien als Entstehungsort neuer Elementarwellen denken;
Der Teil der Elementarwellen, der sich im anderem Medium ausbreitet, überlagert sich zur gebrochenen Welle. Der Teil, der sich im ursprünglichen Medium ausbreitet, überlagert sich zur reflektierten Welle.
Dass wir mit einem einzigen Ansatz – der Überlagerung der Elementarwellen – nicht nur Brechung, sondern auch Reflexion erklären können, ist ein großer Vorteil des HUYGENSschen Modells. Auf die Weise, wie wir das Brechungsgesetz hergeleitet haben, hätten wir nicht auch Reflexion mathematisch behandeln können.
Mit unserer Schulmathematik ist es leider nicht möglich, diesen Ansatz vollständig durchzurechnen; die ersten Schritte können wir aber sehr wohl handhaben und dadurch die Mathematik hinter Wellen besser zu verstehen lernen.
Eine Kreiswelle, die im Punkt O(0,0) zur Zeit 0 entsteht, stellen wir mathematisch als binäre Funktion von r und der Zeit dar, wobei r der Abstand eines bestimmten Wellenpunkts zu O ist.
Die Frequenz dieser Elementarwelle ist gleich der Frequenz der einfallenden geraden Welle. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist im neuen Medium jedoch eine andere – c_2, nicht c_1; mit c = \lambda f errechnet sich die Wellenlänge des relevanten Teils der Elementarwellen – des Teils der Elementarwellen, der sich im neuen Medium ausbreitet – zu \lambda' = \frac{c_2}{f}.
f_0(r,t) = A \sin\!\left(\omega t + \frac{2 \pi}{\lambda'} r\right) = A \sin 2\pi \left(ft + \frac{1}{\lambda'} r\right)\!;
Mit r = \sqrt{x^2 + y^2} ergibt sich umgerechnet in kartesische Koordinaten:
f_0(x,y,t) = A \sin 2\pi \left(ft + \frac{1}{\lambda'} \sqrt{x^2 + y^2}\right)\!; \quad y > 0;
Die Darstellung einer Elementarwelle, die nicht im Ursprung, sondern im Punkt (d,0) entsteht, ist etwas komplizierter. Zum einen entsteht diese Welle nicht wie f_0 zur Zeit 0, sondern zeitversetzt – die einfallende Welle trifft erst später an der Mediengrenze ein.
Diese Zeitdifferenz errechnet sich mit \sin\alpha = \frac{\lambda}{d} zu
\Delta t = \frac{\Delta \lambda}{c} = \frac{d \sin\alpha}{c} = \frac{d \sin\alpha}{\lambda f};
Außerdem unterscheidet sich die Entfernung vom Ursprungsort der Welle zu einem bestimmten Wellenpunkt:
r' = \sqrt{\left(x - d\right)^2 + y^2}; \quad y > 0;
Einsetzen bringt damit für die Gleichung der Welle, die im Punkt (d,0) entsteht:
\begin{array}{@{}rcl} {} f_d(x,y,t) &=& A \sin 2\pi \left(ft' + \frac{1}{\lambda'} r'\right) = {} A \sin 2\pi \left[f\left(t - \Delta t\right) + \frac{1}{\lambda'} r'\right] = \\ {} &=& A \sin 2\pi \left[f\left(t - \frac{d \sin\alpha}{\lambda f}\right) + \frac{1}{\lambda'} \sqrt{\left(x - d\right)^2 + y^2}\right]\!; \quad y > 0; \end{array}
Um die Überlagerung unendlich vieler Elementarwellen zu fassen, betrachten wir mathematisch nur den Bereich zwischen -\frac{o}{2} und \frac{o}{2} auf der Grenzlinie. Damit wir trotzdem die Überlagerung aller Wellen, und nicht nur einem Teil, erhalten, lassen wir o gegen Unendlich gehen.
Außerdem denken wir uns, dass über die gesamte Strecke \left[\left(-\frac{o}{2},0\right)\left(\frac{o}{2},0\right)\right] genau n Elementarwellen im Abstand \frac{o}{n} entstehen. Lassen wir n gegen Unendlich gehen, geht der Abstand \frac{o}{n} gegen Null und wir erfassen alle Wellen.
In symbolischer Schreibweise drücken wir das so aus:
f_{\text{ges.}}(x,y,t) = \lim\limits_{o \to \infty} \lim\limits_{n \to \infty} \sum\limits_{i = 0}^n f_{-\frac{o}{2} + \frac{o}{n} \cdot i}(x,y,t); \quad y > 0;
Dieses Problem können wir leider nicht mehr lösen – wir kennen keine Formeln für die Summe vieler Sinusanwendungen auf komplizierte (nicht-lineare) Werte.
0.0.1.1.3 ↑ Wellenbeugung
Unter Beugung versteht man die Ablenkung von Wellen an einem undurchlässigen Hindernis. Gebeugte Wellen können sich in dem geometrischen Schattenraum des Hindernisses ausbreiten.
Ist das Hindernis bzw. die Öffnung im Vergleich zur Wellenlänge sehr groß, ist der Effekt zwar selbstverständlich auch vorhanden, aber kaum bemerkbar bzw. vernachlässigbar.
Sind die Größe des Hindernisses bzw. der Öffnung und die Wellenlänge von der gleichen Größenordnung, kann der Effekt im Allgemeinen nicht vernachlässigt werden. Der Teil der Wellen hinter dem Hindernis bzw. der Öffnung sind annähernd gerade.
Ist die Öffnung im Vergleich zur Wellenlänge klein, so ist die Welle hinter dem Hinderniss bzw. der Öffnung keine gerade Welle, sondern annähernd eine Kreis- bzw. Kugelwelle.
Beugung darf man nicht mit dem alltäglichen Phänomen unscharfer Schatten verwechseln. Zum einen sind die von Lampen ausgesendeten Lichtwellen keine geraden Wellen, und zum anderen befinden sich oft mehrere Lichtquellen in einem Raum.
Nach dem HUYGENSschen Prinzip kann man sich die Randpunkte des Hindernisses bzw. der Öffnung als Entstehungsort neuer Elementarwellen der gleichen Wellenlänge und Frequenz wie der einfallenden Welle vorstellen.
Im Falle der Beugung an einem Hindernis schließen die Elementarwellen in einiger Entfernung vom Hindernis die Lücke. Im Falle der Beugung an einer Öffnung einer undurchlässigen Barriere kann man sich die Elementarwellen in genügend großer Entfernung als gerade Wellen vorstellen:
Besonders interessante Phänomene treten auf, wenn man die Beugung einer Welle nicht nur an einem Hindernis oder an einer Öffnung untersucht, sondern an mehreren. In diesem Fall überlagern sich die an jedem Hindernis bzw. Öffnung entstehenden Elementarwellen; es kommt zur Interferenz.
Berühmt ist die Beugung am Doppelspalt. Gerade Lichtwellen werden auf eine Blende gerichtet, die nur an zwei schmalen Schlitzen durchlässig ist. Auf einem hinter der Blende im Fernfeld positioniertem Schirm, der ankommenendes Licht registriert, zeigt sich ein Interferenzmuster. Grund für dieses Muster ist die Interferenz der HUYGENSschen Elementarwellen, die in den beiden Blendenöffnungen entstehen.
Das Interferenzmuster aus helleren und dunkleren Streifen hängt unter anderem von der Wellenlänge des einfallenden Lichts, der Breite und dem gegenseitigen Abstand der Schlitze, und der Entfernung des Sichtschirms von der Blende ab.
Ist der Sichtschirm weit von der Blende entfernt, sind die Winkel der beiden Schlitze zu einem Punkt (x,0) des Schirms etwa gleich groß. Für diesen Fall können wir näherungsweise die Orte der größten und der kleinsten Helligkeit ermitteln:
\cos\alpha = \frac{\Delta l}{a}; \quad \tan\alpha = \frac{d}{x};
\alpha ist sehr klein, wenn der Schirm weit von der Blende entfernt ist. Für kleine Winkel stimmen der Wert des Sinus mit dem des Kosinus und des Tangens näherungsweise überein; es gilt:
\frac{\Delta l}{a} = \cos\alpha \approx \tan\alpha = \frac{d}{x}; ⇒ \frac{\Delta l}{a} \approx \frac{d}{x}; ⇒ x \approx \frac{1}{\Delta l} \cdot d a;
\Delta l ist der Gangunterschied – die Wegdifferenz – der Elementarwellen, die in den beiden Schlitzen entstehen. Konstruktive Interferenz – helle Punkte auf dem Schirm – tritt dann ein, wenn der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge \lambda der Elementarwellen ist:
x_{\text{hell}} = \frac{1}{k \lambda} \cdot d a; \quad k \in \mathds{N};
Die Wellen vernichten sich gegenseitig, wenn der Gangunterschied ein ungeradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge ist.
x_{\text{dunkel}} = \frac{1}{\left(2k + 1\right) \frac{\lambda}{2}} \cdot d a; \quad k \in \mathds{Z};
Als Thomas Young 1805 den Versuch erstmalig durchführte, demonstrierte er die Wellennatur des Lichts. Zu besonderer Berühmtheit ist das Doppelspaltexperiment deswegen gelangt, weil sich ein Interferenzmuster auch dann zeigt, wenn man den Versuch mit "Teilchen" (beispielsweise mit Elektronen – 1927 Clinton Davisson und Lester Germer) statt Licht ausführt – eine Demonstration des (irreführend benannten) Welle–Teilchen-Dualismus'.